Wichtig ist mir das Bewusstsein des Künstlers dafür, dass Figuren oder Szenarien aus bekannten Werken immer auch das Potential respektive die Gefahr bergen, „Allusions“-Träger (György Ligeti) zu sein beziehungsweise eine enorm starke „Aura“ (Helmut Lachenmann) eben ihres ursprünglichen Kontextes in und mit sich zu tragen.

...differenzierte formal-drama- turgische Bezieh- ungen erzeugen, die ein komplexes Oszilieren zwischen Hörerwartung und bereits Gehörtem provozieren...

Solche zitatähnlichen, klar erkennbar einem bestimmten historischen Kontext zuzuordnenden Elemente müssen – und das ist die Herausforderung des Künstlers – wie „wilde Tiere an der Leine sorgsam geführt“ werden und ihren Platz im Stück sorgfältig zugewiesen bekommen, ohne dass ihre Aura das ganze Werk überschattet oder verschwinden lässt. Meister und große Vorbilder gerade im Umgang mit historisch vorgefertigten Verhaltens- oder Klischeemodellen sind für mich der Schriftsteller Boris Vian (1920-1959) und der Regisseur Quentin Tarantino (* 1963)

Diesen oben beschriebenen Kontrastreichtum, der im Falle Burgers durch eine Art von „postmoderner“, mosaikartiger Collage entsteht, möchte ich auch kompositorisch erreichen, und ich investiere deshalb momentan in ein ähnliches Denken auf musikalischer Ebene. Zugleich arbeite ich auch an einer Art satz- und motivtechnischer „Hyperpolyphonie“ verschiedener musikalischer Elemente und Schichten, die im formal-musikalischen Verlauf koexistieren und integriert sind. Hierbei unterscheide ich zwei Strategien, die in unterschiedlichen Formen angewendet werden:

Einerseits sollen klar verschiedene Präsenzgrade im musikalischen Satz etabliert werden. Die verschiedenen Ebenen bestehen alle aus Elementen verschiedener musikalischer Charaktere – zum Beispiel eine akkordische Fläche, figurative, melodische Elemente oder schnelle Patterns. Andererseits nun können die verschiedenen Schichten in sich jeweils auch ihre Präsenzgrade ändern, das heißt: gegenüber einer anderen Schicht mehr oder weniger in den Vorder-, Hinter- oder Mittelgrund treten. Die Intensität einer spezifischen Schicht wird definiert durch ihren Energiegehalt, durch Aktionsdichte und auch Dynamik. Eine Schicht setzt sich in einem bestimmten musikalischen Moment des Werkes mehr respektive weniger gegen eine andere durch. Der kompositorische Zugriff auf dieses Prinzip lässt gestalterisch großen Freiraum. Durch das Zusammenführen verschiedener Schichten in ihrem intensivsten Erscheinungsgrad lassen sich dramaturgisch im Verlauf Höhepunkte und Übergänge effektiv gestalten.
Es ist mir ein Anliegen, mit all den oben beschriebenen spezifischen Klangtechniken und formalen Strategien, den Hörer meiner Werke in einen traumhaften Sog von Farben und Klangströmen zu entführen …